Kurs halten – Sicherheit geben

Die Bedeutung von Präsenz für zeitgemäße Autoritätspersönlichkeiten

 

 Präsenz & Autorität“ in der Erwachsenenbildung

Vor mir sitzt eine Gruppe Fachlehrer. Alles Vollprofis. Kompetenzträger und pädagogisch erfahren. Sie unterrichten in medizinischen Kursen, in denen bei den Teilnehmern alle Altersgruppen zu finden sind.

Doch trotz Ihrer Professionalität berichten sie über Ereignisse im Unterricht die in den letzten Jahren zugenommen haben:

Ignoranz von Regeln z.B. Smartphone-Nutzung trotz klarem Verbot, Parallelgespräche in den letzten Reihen, die fortgesetzt werden obwohl um Ruhe gebeten wird oder häufiges zu spät ohne schlechtes Gewissen… Es fehlt Belastbarkeit, dafür gibt es um so mehr Uneinsichtigkeit und gerne Grundsatzdiskussionen.

„Wir erleben Dinge – so etwas hätten wir uns früher als Schüler nie getraut.“

 
Autorität neu entdecken und bewusst machen

Im Rahmen einer Fachtagung für Dozenten in der Erwachsenenbildung halte ich vor dieser Gruppe einen 45 Minuten Impulsvortag zum Thema Neue Autorität im Unterricht.

Zum Einstieg des Themas führe ich aus was sich in den letzten 70 Jahren zum Thema Autorität verändert hat:

Das Autoritätsverständnis der Kriegs- und Nachkriegszeit war geprägt von klaren Regeln, Disziplin, Gehorsam, ausgeprägter Leistungsorientierung, wenig „Erlaubnissen“ und autoritären Ausdrucksformen. Verbale und auch körperliche Gewalt gehörten zum Erziehungskonzept.

Noch zu meinen Grundschulzeiten vor 50 Jahren wurde der Rohrstock regelmäßig bei einigen Jungs zur „Züchtigung“ eingesetzt. Demütigungen Einzelner vor der Klasse gehörten zum Unterrichtsstil.

In den 60igern des vorigen Jahrhunderts entwickelte sich der Aufstand gegen dieses Autoritätsverständnis. Die uns alle bekannten „Befreiungsbewegungen“ beschäftigte in vielen Facetten die Nation und nahm beispielsweise in antiautoritären Erziehungskonzepten bei den Kleinsten im Kindergarten Formen an.

Die Revolution entmachtete die Macht, doch es folgte kein eindeutiges, nachhaltiges Konzept zu einem reformierten Führungs- und Autoritätsverständnis.

Früher kamen beispielsweise Aussagen von den Eltern zu den Kindern: „Erst die Arbeit, dann das Vergnügen“. Das wandelte sich dann in einen „aufmerksameren“ Erziehungsauftrag: „Finde deinen Job, Hauptsache es macht dir Spaß!

Aber keine Arbeit macht nur Spaß… und wenn Pünktlichkeit, respektvoller Umgang oder konsequentes Lernen nicht gelernt wurden, dann hat das auch später Folgen im Erwachsenenalter.

Und das spüren die Dozenten in den Kursen.

 
Auf der Suche nach besseren Möglichkeiten

Die Suche der letzten Jahrzehnte nach einem „richtigen“ und zeitgemäßen Autoritätsverständnis findet bis heute in Kindergärten und Schulen kontroverse Diskussionen.

In Teamsupervisionen führt die Vielfalt an Vorstellungen und individuellen Einstellungen immer wieder zu Konflikten. Orientierungslosigkeit und Überforderungen sind nicht selten die Folge.

Da eine Erzieherin im Kindergarten oder ein Lehrer nicht mehr „Kraft ihres Amtes“ respektiert oder von Eltern automatisch autorisiert werden, enden die Diskussionen auch nicht im Mitarbeiterteam, sondern nehmen täglich Fahrt auf in Auseinandersetzungen mit den Überzeugungen der Eltern.

So berichtete mir beispielsweise eine Leiterin einer Kindertagesstätte:

Als die Mutter am Morgen Ihre Tochter brachte sagte sie zu ihrer Kleinen vor der Erzieherin: „ Und denk dran, du musst nicht tun was Frau M. zu dir sagt…“

 

Konsequenzen in der Erwachsenenbildung

Wir sind alle Modelllerner. Erfahrungen aus der Kindheit prägen uns. Welche Form der Beziehungsgestaltung wurde  vorgelebt? Mit welcher Einstellung wird dieses Kind aus der Kita später in einem Weiterbildungskurs sitzen?

Wertewandel, Orientierungssuche im Autoritätsverständnis, Globalisierung, Einflüsse durch das Internet, Digitalisierung haben in den letzten 70 Jahren unterschiedliche Generationen hervorgebracht.

So kann es sein, dass eine Führungskraft oder ein Dozent in einer Fortbildung bis zu vier verschiedene Generationstypen – mit unterschiedlichen Werten und Ausprägungen – zu führen oder anzuleiten hat.

Als Autoritätsperson wahrgenommen und akzeptiert zu werden erfordert ein hohes Maß an Selbstreflexion.

Was macht eine gewaltfreie, authentische und respektierte Autoritätspersönlichkeit aus?
Wie hält ein Dozent Kurs in einem Kurs?

 
Mit den Händen fest am Steuerrad, auch in stürmischen Zeiten

In Anlehnung an das Konzept der „Neuen Autorität“ von Haim Omer (Stichworte u.a. Stärke statt Macht, Wiedergutmachung statt Strafe, das Eisen schmieden wenn es kalt ist…www.neueautorität.de) und der Bedeutung von Beziehungs- und Kooperationsgestaltung fokussiere ich für meinen Vortrag das Thema Präsenz und Autorität in der Symbolik eines Steuerrades.

 

Punkt für Punkt gehen wir durch das Schaubild.

Ziel ist es, die Dozenten in ihrer Rolle zu stärken durch die bewusste Reflexion der Präsenzaspekte.
Vieles ist natürlich inhaltlich vertraut und trotzdem wird in der Auseinandersetzung das eigene Bewusstsein geschärft.

Vieles, was doch „klar ist“ – ist oftmals gar nicht so klar. Und wie sollen mich andere „verstehen“ wenn ich mir beispielsweise selber meiner Handlungsmuster, Triggerpunkte oder „Spiele“ nicht bewusst bin, die ja meistens auf der unbewussten Ebene stattfinden.

Kenne ich wirklich die Absicht hinter meinem Handeln? Warum werde ich beispielsweise in stressigen Situationen laut oder ungeduldig? Wie kann es sein, dass ich mich in bestimmten Diskussionen verliere?
Weiß ich, in einer Klasse die mich herausfordert, was ich brauche um wirksam zu bleiben? Welche Konfliktstrategien wende ich „bewusst“ an? Wie verhalte ich mich in den unterschiedlichen Eskalationsstufen?

Positioniere ich mich eindeutig und spreche ich eine „gewaltfreie Sprache“, die Sicherheit gibt?

Mutig voran

Nach meinem Vortrag ist Pause. In kurzen Rückmeldungen teilen mir die Dozenten mit, dass sie sich bestätigt sehen, aber auch vieles (wieder) neu bewusst geworden ist. Und sie erleben die Herausforderungen in ihrer Rolle, den nachkommenden Generationen „richtig“ zu begegnen. Dazu braucht es den Mut zu einem reflektierenden Autoritätsverhalten.

Das Steuerrad hilft dabei, so das Feedback. Nicht nur für die zukünftigen Kursteilnehmer sondern auch in ihren persönlichen Beziehungen zu ihren eigenen Kindern und Enkelkindern.