Mit allen Sinnen dabei…
Kennen Sie diese Momente, in denen Sie wie fremdgesteuert reagieren anstatt situationsgerecht zu agieren?
Es ist einer dieser besonderen Morgenspaziergänge bei denen das Frühlingserwachen mit allen Sinnen spürbar ist. Das Konzert der vielfältigen Vogelstimmen berührt sanft meine Seele und die Strahlen der aufgehenden Sonne sorgen erlebbar für neue Lebenskraft.
Plötzlich durchbricht lautstarkes Geschrei diesen magischen Moment. Auch meine Königspudeldame Battida wird hoch aufmerksam.
Als ich aus dem Wald auf das Landesgartenschaugelände komme, sehe ich aus einiger Entfernung in wilder Ausgelassenheit eine Gruppe kreischender Jugendlicher. Rücksichtslos klettern sie über die Einzäunung eines frisch angelegten Biotops.
Während ich auf den kleinen Teich zulaufe, sehe ich mit Betroffenheit, wie sie den kleinen mit Schilf angelegten Uferbereich zertrampelten und rücksichtslos die Ziersteine aus der Anlage in den Feuchtbereich werfen. Ihr Ziel: einen ins Wassser gefallenen Ball mit Wellen an den Rand zu manövrieren.
Entsetzen überkommt mich. Ich bin fassungslos über die Ignoranz, dass diese kleine Oase binnen kürzester Zeit der ausgelassenen Spielstrategie zum Opfer fallen wird. Ich rufe ein energisches „Hallo!“. Keine Reaktion. Ich komme näher und rufe noch lauter. Weiterhin bekomme ich keine Aufmerksamkeit. In mir steigt die Wut hoch.
Ich brülle, in dem Versuch, endlich gehört zu werden. Erschrocken, aber wenig beeindruckt schauen die Jugendlichen zu mir. Mit bebender Stimme stelle ich sie aus sicherer Entfernung zur Rede was sie da machen würden…
Fremdgesteuert reagieren statt situtationsgerecht agieren…
Eine Stunde später spüre ich immer noch meine innere Erregung über diese Situation.
Allerdings bin ich mir mittlerweile nicht mehr sicher was mich mehr bewegt: die Respektlosigkeit der fünf Jungs oder meine eigene innere Dynamik die mich veranlasst hatte, genauso wie diese 15jährigen unkontrolliert lautstark zu werden…
Kennen Sie diese Momente beispielsweise im Auto zu schimpfen und zu fluchen, obwohl der Vordermann es mit Sicherheit nicht hören kann… oder das unangemessene Verhalten gegenüber einem Mitarbeiter, der Sie auf die Palme gebracht hat?
Welche Seiten an Ihnen werden in spannungsreichen Situationen angetriggert?
Kleine Ursache, große Wirkung
Triggerpunkte finden ihre Bedeutung ursprünglich in der Physiotherapie. Es sind punktuelle Muskelverkrampfungen, die durch Überlastung, z.B. durch Fehlhaltungen entstehen und Schmerzen verursachen. Das Besondere bei Triggerpunkten ist, dass diese eher kleinen Muskelverspannungen Schmerzen in anderen Körperarealen auslösen können, die mit dem direkten Ort des Geschehens nichts zu tun haben.
Das Wort „triggern“ heißt auslösen und beschreibt ein spannendes Phänomen, dass auch für unsere seelischen Prozesse und inneren Dynamiken vergleichbar ist.
Natürlich ärgert Sie im Auto der Vordermann oder das Verhalten des Mitarbeiters. Oder in meinem Fall die Respektlosigkeit der Jugendlichen – es passt eben nicht zu meinem Wertverständnis oder zu meinen Erwartungen. Die Frage die auftaucht ist jedoch, warum verhalte ich mich nicht professionell und selbstorganisiert?
Seelische Triggerpunkte haben ihren Ursprung in der Vergangenheit. Sie sind entstanden in der Kindheit. Gerade in den ersten Lebensjahren haben Sie prägend gelernt wie „Mann“ beispielsweise mit Konflikten umgeht. Auf Basis dieser Kindheitsstrategien agieren wir als Erwachsene in besonderen Stresssituationen mit dem Spektrum eines Siebenjährigen.
Habe ich bei Vorbildern erlebt, in Konflikten laut zu werden oder Auseinandersetzungen aus dem Weg zu gehen, werde ich (unreflektiert) diese Muster fortsetzen, inklusive antrainierter Verhaltenskodexe – z.B. ich bin stark, ich brauche nichts ausdiskutieren.
Führungskräfte haben die Aufgabe, im Hier und Jetzt adäquat zu agieren und emotional präsent zu sein – und nicht auf Grund tiefsitzender „Verspannungen und Fehlhaltungen“ sich antriggern zu lassen.
Wenn es in der Supervision um das Thema Konfliktmanagement und Selbstführung geht, lade ich zu einem Perspektivenwechsel ein: Anstatt im Auto den Vordermann im Visier zu haben, nehmen wir uns Zeit in den „Rückspiegel“ zu schauen – d.h. auf die persönlichen Prägungen und die daraus resultierenden Konfliktmuster. Es ist für alle immer wieder erstaunlich, was es dort (mutig) zu entdecken gibt…
Wahrhaftigkeit und Selbstwirksamkeit
In bestimmten Stressmomenten werden alte Verhaltensweisen wieder präsent, so wie bei mir im Landesgartenschaugelände bei den Jugendlichen.
Was sich allerdings entscheidend in den Jahren im Umgang damit für mich verändert hat ist die wertvolle Gewissheit, dass es Sinn macht zukunftsorientiert in den Rückspiegel zu schauen. Zu entdecken und zu demaskieren,… um langfristig (alte) Muster zu durchbrechen und Neues zu gestalten.
Für meine Gesundheit, für mein tägliches Agieren und für meine Wahrhaftigkeit.
Ja, die Jugendlichen haben sich nicht richtig verhalten und etwas zerstört.
Aber auch ich hatte nicht optimal reagiert und damit das Verhalten der jungen Generation (Z) – die anders ticken wie ich – indirekt befeuert. Mittlerweile hat sich meine innere Erregung über die Situation am Biotop wieder beruhigt und ich weiß, dass es für mich in Zukunft bezogen auf diesen Triggerpunkt, eine bessere körperliche und kommunikative „Entspannung“ in so einem Konflikt geben wird. Zuallererst für mich und meine Selbstwirksamkeit. Aber auch als Vorbild:
Für ein achtsameres, werteorientierteres und bewussteres Miteinander.